Das europäische Grüne Band im Oberpfälzer Wald und Böhmischen Wald
Mit dem Slogan „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ betitelt der BUND e.V. das Konzept des Europäischen Grünen Bandes, das Zukunftsperspektiven für Mensch und Natur an die Stelle der verhängnisvollen, undurchlässigen Grenze des Eisernen Vorhangs setzen soll. Die Oberpfalz und die Region Pilsen versuchen den Lückenschluss in dem 12.500 km langen Gebietsstreifen vom Nordmeer bis zur Ägäis. Der Neue Tag stellt in Zusammenarbeit mit dem Centrum Bavaria Bohemia in regelmäßigen Abständen Schwerpunktthemen aus den Bereichen Naturschutz, Geschichte und Kultur und Freizeit vor und zeigt die Einzigartigkeit des Natur- und Kulturerbes des Grünen Bandes.
Vom Eisernen Vorhang zum Grünen Band
Auf über 12.500 km durchschnitt der Eiserne Vorhang seit dem Zweiten Weltkrieg und bis 1989 Europa und riegelte die sozialistischen Staaten im Osten gegen die Demokratien im Westen ab. Teils folgte der Eiserne Vorhang älteren Grenzen, teils entstanden neue Grenzen, die Städte, Dörfer und Familien trennten. Anlagen zur Überwachung der Grenze entstanden beidseits der Grenze, wobei der mit hintereinander gestaffelten Absperranlagen gesicherte „Grenzstreifen“ besonders auf der östlichen Seite oft mehrere Kilometer weit ins Landesinnere reichten. Hunderten Fluchtwilligen und Grenzsoldaten wurde der Grenzstreifen zum Verhängnis. Einige der tragischen Schicksale sind am ehemaligen Grenzwachturm am Rabenberg / Havran bei Tachov dokumentiert. Über 40 Jahre lagen die Regionen beidseits der Eisernen Vorhangs am Rande, das Leben und Wirtschaften waren durch die Grenze eingeschränkt, die Grenze mit Angst verbunden.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs entstand auf Initiative von Naturschützern an der deutsch-deutschen Grenze das Konzept des Europäischen Grünen Bandes. Aus dem einst trennenden Grenzstreifen sollte eine neue Lebenslinie quer durch Europa werden.
Drei Säulen des Grünen Bandes: Naturschutz, Geschichte und Zukunftsperspektiven Das Grüne Band bildet ein gemeinsames, europäisches Dach über Grenzregionen, die das Schicksal der Lage an einer Grenze, am ehemaligen Eisernen Vorhang, eint. Gemeinsam suchen sie Zukunftsperspektiven auf Grundlage der Erhaltung und Pflege des Natur- und Kulturerbes und nachhaltiger Tourismusentwicklung.
Der erzwungene Rückzug des Menschen aus der Landschaft hatte dazu geführt, dass andernorts selten gewordene Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum fanden. Zeugnisse des früheren Umgangs des Menschen mit der Landschaft – sei es in der Landwirtschaft, in der Anlage von Siedlungen oder Grenzanlagen – blieben erhalten. Sie prägen den ganz eigenen Charakter der Landschaft und laden zum Erinnern und Lernen ein. Nicht zuletzt entstand mitten im dicht besiedelten, industrialisierten Europa ein Landstrich mit beachtlichem Freizeitwert und touristischen Entwicklungspotentialen als unbeabsichtigte Nebenwirkung der Unmenschlichkeit. Das Grüne Band verbindet die Schwerpunkte (1) Naturschutz und Biodiversität, (2) Kultur und Geschichte sowie (3) Freizeitnutzung und nachhaltige Entwicklung.
Einzigartiges Natur- und Kulturerbe
Der Artenreichtum und die Vielfalt der Biotope entlang des Grünen Bandes einerseits, die historische Bedeutung des Eisernen Vorhangs und seiner Überwindung andererseits machen die Einzigartigkeit des Natur- und Kulturerbes des Grünen Bandes aus. Auf Initiative des BUND, des Landes Thüringen und des Deutschen Kulturrats soll das Grüne Band in die Tentativliste des Bundes für das UNESCO Welterbe aufgenommen werden – und zwar in den beiden Kategorien „Weltnaturerbe“ und „Weltkulturerbe“. Eine Machbarkeitsstudie „Welterbe Grünes Band“ im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz bildet die Grundlage für den Bewerbungsprozess. Gemischte Welterbestätten sind bisher eine Seltenheit – in Europa gibt es keine einzige.
„Schutz durch Nutzung“
Das Schlagwort „Schutz durch Nutzung“ kennzeichnet die Grundidee des Grünen Bandes: Der Schutz des Natur- und Kulturerbes kann nur gewährleistet werden, wenn die Menschen auch ausreichende Zukunftsperspektiven in der Region haben. Wandern, Radfahren, Outdoortourismus, das eigene Land entdecken liegen in Deutschland wie in Tschechien nicht erst seit der Pandemie im Trend. Gleichzeitig steigt der Druck auf die Landschaft des Grünen Bandes. Auch wenn die Besucherzahlen im Oberpfälzer Wald und Böhmischen Wald noch steigerungsfähig erscheinen gibt es bereits jetzt Orte mit hoher Besucherfrequenz und Bedarf nach zusätzlicher Infrastruktur. Auch die Bedarfe der Energieerzeugung – etwa durch Windkraft im Landkreis Tirschenreuth – werfen die Frage auf, wie unterschiedlichen Ansprüchen genügt werden kann. Das Drei-Säulen-Modell des Grünen Bandes ermöglicht den Austausch zwischen Akteuren aus verschiedenen Bereichen und Staaten. Das Grüne Band hat jedoch keinen Schutzstatus und ist nicht mit der Ausweisung neuer Naturschutzgebiete verbunden.
Lückenschluss Oberpfalz-Tschechien
Der bayerische Ministerrat beschloss bereits 2017 einen Lückenschluss im Grünen Band entlang der Grenze zu Tschechien. Die Regierung der Oberpfalz und die Regierung des Bezirks Pilsen gaben daraufhin eine „Machbarkeitsstudie Grünes Band Oberpfalz-Tschechien“ und die komplementäre Studie „Grenzüberschreitendes Konzept für den Schutz und das Erleben der Natur des Böhmischen Waldes und der Oberpfalz“ in Auftrag. Bei der Regierung der Oberpfalz wurde eine Teilzeitprojektstelle zur Umsetzungsunterstützung der Säule 1 „Naturschutz, Biodiversität“ eingerichtet. Das Centrum Bavaria Bohemia bearbeitet im Rahmen eines vom Bayerischen Heimatministerium geförderten Projekts „Informations-, Beratungs- und Vernetzungszentrum Grünes Band am Centrum Bavaria Bohemia“ die Säulen 2 „Geschichte, historische Kulturlandschaft“ und 3 „Sanfter Tourismus, ländliche Entwicklung“. „Entscheidend für den Erfolg des Grünen Bandes wird das Engagement lokaler Initiativen sein – diese zu informieren und zu motivieren ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts“, so CeBB-Leiterin Dr. Veronika Hofinger.
1. Tag des Grünen Bandes am 4. Juni in Stadlern
Interessierte können sich am 4. Juni 2022 beim Tag des Grünen Bandes in der Gemeinde Stadlern über Initiativen im Grünen Band zu informieren und Beispiele des einzigartigen Natur- und Kulturerbes in Form von geführten Wanderungen, Vorführungen historischen Handwerks, Mitmachangeboten oder kulinarischen Angeboten zu genießen. Weitere Informationen auf www.bbkult.net.